Kreislaufstörungen
Durch das autonome Nervensystem werden Herz und Kreislauf auf alle Anforderungen des Alltags eingestellt. Blutdruckoptimierung durch Anpassen von Puls sowie Eng- oder Weitstellung von Blutgefäßen des Kreislaufs. Kreislaufstörungen können eine Vielzahl von Beschwerden hervorrufen. Bei Beschwerden wie Schwindel, Schwarzsehen vor Augen, Übelkeit und Schweißausbruch wird rasch an eine Störung des Kreislaufes, einen drohenden Kollaps oder bevorstehende Ohnmacht gedacht.
Nicht selten kann eine chronische Kreislaufschwäche aber auch mit Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen oder einem Schweregefühl der Schultern und Beine einhergehen. Handelt es sich um eine neurologische Ursache bzw. eine Störung der Kreislaufregulation, so treten die genannten Beschwerden meist im aufrechten Stehen (das heißt in Orthostase) auf oder werden unmittelbar nach dem Aufstehen aus dem Liegen oder der Hocke angegeben.
Beschwerden und Symptome
Häufigstes Symptom der Kreislaufregulationsstörung ist Schwindel. Typischerweise tritt der Schwindel in aufrechter Körperposition auf. Versagt die Kreislaufregulation, so reduziert sich die Blutzufuhr zum Gehirn. Meist kommt es zu einem diffusen Schwindel, Benommenheitsgefühl oder Leeregefühl des Kopfes. Es besteht die Gefahr einer Ohnmacht. Darunter ist ein kurzzeitiger Bewusstseinsverlust zu verstehen. Aufgrund der plötzlichen Erschlaffung der Muskulatur, kommt es bei Ohnmacht typischerweise auch zum Sturz. Zu Beginn der Untersuchung nach Ohnmacht ist zu klären, ob es sich anstelle einer Kreislaufstörung eher um eine Herzrhythmusstörung oder anderweitige Herzerkrankung handelte. Auch eine Epilepsie muss als mögliche Ursache eines Bewusstseinsverlustes ausgeschlossen werden.
Nicht immer sind es Schwindel oder Ohnmacht. Kreislaufstörungen können auch von Konzentrationsstörungen, Müdigkeit oder Herzrasen begleitet sein. Eine sorgfältig geführte Anamnese, das kenntnisreiche Erfragen aller typischen Beschwerden leiten oft auf die Diagnose einer bestimmten Form von Kreislaufstörung hin.
Mit Hilfe der Untersuchungen von Blutdruck und Puls im Liegen und Stehen (Schellong-Test) oder auch mithilfe der Kipptischuntersuchung werden unterschiedliche Formen von Kreislaufstörungen unterschieden.
Mit einem ausführlichen Gespräch über die Beschwerden, Vorerkrankungen, auslösenden Situationen lassen sich die möglichen Ursachen für Ohnmacht oder den vorrübergehenden Bewusstseinsverlust bereits auf wenige in-frage-kommende Diagnosen fokussieren.
Zu den klassischen Formen der Kreislaufregulationsstörung gehören:
- die Orthostatische Hypotonie, d.h. der niedrige Blutdruck im Stehen,
- die vasovagalen Synkopen, d.h. die reflexartig auftretende Ohnmacht
- die Posturale Tachykardie, d.h. massive Beschleunigung des Herzschlages im Stehen.
Orthostatische Hypotonie
Die Orthostatische Hypotonie, d.h. das starke Absinken des Blutdrucks im Stehen ist die häufigste Form von Kreislaufstörungen bei Menschen im Alter über 75 Jahre. Diese Form der Kreislaufstörung wird durch ein Absinken des Blutdrucks nach Wechsel vom Liegen zum Stehen verursacht. Direkt nach dem Aufstehen oder wenige Minuten später kann es dabei zu Schwindel oder Schwarzwerden vor den Augen kommen. Prinzipiell kann auch eine kurzzeitige Ohnmacht eintreten.
Bei gründlicher Suche finden sich oft nicht nur eine sondern mehrere Ursachen für die orthostatische Hypotonie, wie beispielsweise:
- Flüssigkeits- und/oder Salzmangel bspw. im Rahmen akuter Infekte, Durchfallerkrankungen.
- Blutdrucksenker oder Medikamente mit blutdrucksenkender Nebenwirkung.
- Erkrankungen, die Herz- und Kreislauf-Funktionen beeinträchtigen können: Diabetes mellitus, chronische Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz, Aortenklappenstenose, Herzrhythmusstörung, langjähriger Bluthochdruck, Erkrankungen der Nebennieren
- Neurologische Erkrankungen, die das vegetative (autonome) Nervensystem beeinträchtigen: wie Parkinson, Polyneuropathie oder auch bestimmte Demenzerkrankungen.
Gerade im Rahmen von chronischen neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Polyneuropathie oder Demenz kann sogar ein sehr niedriger Blutdruck im Stehen lange unbemerkt bleiben. Dies liegt zum einen daran, dass selten typische Beschwerden einer Kreislaufstörung wie Schwindel, Übelkeit, Kaltschweissigkeit beschrieben werden. Häufiger kann sich die orthostatische Hypotonie tagsüber nach längerer Stehzeit mit einem Schwächegefühl, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Benommenheit, Kopf- und Nackenschmerzen bemerkbar machen.
Zudem wurde die Bedeutung der Orthostatischen Hypotonie für die Herzgesundheit und Mobilität der Betroffenen lange unterschätzt. Eine lang-angelegte Beobachtungsstudie über 23 Jahre bei mehr als 12.000 Menschen mit Orthostatischer Hypotonie zeigte, dass diese Kreislaufregulationsstörung ein generelles Risiko für das Auftreten von Stürzen ist. Auch Herz-Beschwerden scheinen bei Menschen mit Orthostatischer Hypotonie häufiger aufzutreten.
Vasovagale Synkopen
Unter einer vasovagalen Synkope ist eine reflexartig auftretende Ohnmacht zu verstehen. Es handelt sich um die am häufigsten auftretende Form eines Kreislaufkollaps, einer plötzlichen Ohnmacht. Etwa ein Drittel aller Menschen sind wenigstens einmal im Leben von einer Ohnmacht oder drohenden Ohnmacht betroffen. Häufigste Ursache ist der reflexartig auftretende Kreislaufkollaps, d.h. die Synkope. Diese tritt meistens aber nicht ausschließlich im Stehen auf. Klassische Vorzeichen der drohenden Ohnmacht sind Schwindel und Schwarzsehen vor Augen, ein Schweregefühl der Beine, Übelkeit und auch Schweißausbruch. Gelegentlich aber bleiben diese Vorzeichen einer drohenden Ohnmacht aus.
Das Spektrum möglicher Auslöser der reflexartig auftretenden Ohnmacht (synonym verwendet werden: Reflexsynkopen, vasovagale Synkopen) ist breit. Es gehören dazu: langes Stehen, Toilettengang, Schmerzen, das Sehen von Blut, die Blutentnahme, Emotionen wie Angst oder Aufregung. Seltene Auslöser sind Druck auf Hals oder Halsarterien durch enganliegende Kragen oder schnelles Kopfdrehen. Obwohl sich die Auslöser von Mensch zu Mensch sehr unterscheiden, ist der zur Ohnmacht führende Reflex immer derselbe. Dieser vasovagale Reflex verursacht vorrübergehend einen prompten Blutdruckabfall und oft auch eine Verlangsamung des Herzschlages.
Auf den ersten Blick mag ein Reflex, in dessen Folge es zu Ohnmacht kommt, absolut überflüssig erscheinen. Möglicherweise aber hat der vasovagale Reflex eine evolutionäre Bedeutung und schützt uns vor großen Blutverlusten nach Verletzungen. Vor diesem Hintergrund wäre die Ohnmacht im Rahmen vasovagaler Synkopen das notwendige Übel eines ursprünglich lebensrettenden Reflexes. Auch wenn Ihnen die Ohnmachtszustände unvorhersehbar zu sein scheinen, können Sie diesen vorbeugen. Wir haben einige praktische Tipps für den Alltag zusammengestellt, die sich bei Patienten mit Ihren Beschwerden als hilfreich erwiesen haben.
Für die Unterscheidung bspw. zwischen einer Ohnmacht bei Kreislaufkollaps und einem Bewusstseinsverlust bei Epilepsie kann es sehr hilfreich sein, wenn das Ereignis durch Beobachter beschrieben werden kann. Wir stellen immer wieder fest, dass bereits das Einbeziehen aller Beobachtungen eine erste Differenzierung zwischen unterschiedlichen Formen von Ohnmacht, d.h. bspw. Kreislaufkollaps und Epilepsie ermöglicht.
Posturales Tachykardiesyndrom (kurz: POTS)
Die Posturale Tachykardie, das heißt die Beschleunigung des Pulses im Stehen oder bei geringer körperlicher Belastung ist eine häufig übersehene Kreislaufstörung - insbesondere deshalb da das Posturale Tachykardiesyndrom selten zu einer Ohnmacht führt. Häufiger sind unspezifische im Laufe des Tages wechselnde Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel, Schwächegefühl aber auch Beklemmung oder Angstgefühl. Oft bemerken die Betroffenen wiederholt selbst einen schnellen Puls bzw. ein spürbares Herzrasen im Stehen bzw. bei vergleichsweise geringer sportlicher Belastung. Die Beschwerden treten typischerweise in aufrechter Position auf. Im Liegen geht es den Betroffenen prompt besser.
Nicht immer lassen sich Ursachen für die genannten Kreislaufstörungen nachweisen. Meistens aber sind diese Störungen vorrübergehender Natur und bilden sich nach Wochen oder Monaten zurück. Mögliche Ursachen eines posturalen Tachykardiesyndroms sind beispielsweise Flüssigkeitsverlust und/oder Salzverluste wie bei Niereninsuffizienz, Schilddrüsenerkrankungen, Infekten, Entbindung, große Operationen, angeborener Bindegewebsschwäche und gelegentlich auch Angststörungen. Diese Form der Kreislaufstörung ist gut behandelbar erfordert die sorgfältige Anamnese, Untersuchung, um in jedem Fall die passende individuell sehr unterschiedliche langfristig erfolgreiche Behandlung zu finden.
Typischerweise wird die Diagnose eines Posturalen Tachykardiesyndroms erst spät gestellt. Um die Verunsicherung, welche die genannten Beschwerden verursachen können zu reduzieren, wird nach umfassender Diagnostik bei uns sorgfältig über das Posturale Tachykardiesyndrom aufgeklärt. Hierfür ist es wichtig zu erfahren, auf welche Beschwerden zu achten ist und welche Formen der Belastung zur Kreislaufstörungen führen. Im Rahmen der ANS Clinic halten wir für Sie geeignete Untersuchungsmethoden vor und unterstützen Sie im Alltag mit einem elektronischen Tagebuch sowie Empfehlungen zur Vorbeugung von Kreislaufstörungen und einem individuellen Behandlungskonzept.
Zu den standardisierten Tests der Kreislaufregulation gehören in der ANS Clinic auch die Untersuchung der Herzratenvariabilität anhand verschiedener Testbedingungen wie vertieftem Atmen, Valsalva-Manöver und dem passiven Aufrichten mittels Kipptisch.
Für das Erkennen einer Kreislaufstörung aber auch um Auslöser der Ohnmacht zu finden, ist es wichtig, Betroffene und Angehörige zu schulen. Nur so gelingt es, beispielsweise bei vasovagalen Synkopen, d.h. reflexartig auftretenden Ohnmachtszuständen Auslöser zu erkennen und zu vermeiden. Hierfür bietet die ANS Clinic Aufklärung und technische Unterstützung. Gezielte Gegen-Maßnahmen sind sehr rasch wirksam. Das Kreislauftraining und Tipps für den Alltag helfen vorzubeugen. Selten sind hierfür Medikamente nötig.
Die Sorgfalt der Ursachensuche und das Verständnis aller Einflussfaktoren tragen entscheidend zum Behandlungserfolg bei. Das Konzept ANS Clinic beruht hierfür auf einer engen Zusammenarbeit mit Kollegen anderer medizinischer Fachrichtungen wie bspw. der Kardiologie, Gastroenterologie, Diabetologie, Pulmologie und Schlafmedizin.
„Sie haben Fragen zum Thema ANS oder möchten einen Termin vereinbaren? Ich berate Sie auch gern in meiner Video-Sprechstunde“
Prof. Dr. Med. Christina Haubrich